28. Februar Tag 29

Nach meiner gestrigen Radtour nehme ich mir heute nicht allzu viel vor. Die Nacht war leider nicht so erholsam wie gedacht, da es zwischenzeitlich in der Nacht sehr lange so stark geregnet hat, dass ich zwischenzeitlich dachte, dass mir das Dach auf den Kopf fällt. Durch das Wellblech wird das Prasseln der Regentropfen so laut, dass ich im Dunkeln mit der Taschenlampe erstmal meine Ohrstöpsel suche. Warum in der Dunkelheit? Weil Regen immer wieder das Stromnetz anscheinend überfordert und Stromausfälle, wie in diesem Moment, herbeiführt. Die Regenzeit setzt dieses Jahr anscheinend sehr früh ein und so ist fast der gesamte Tag sehr trüb, neblig und mit maximal 18 Grad auch relativ kalt für hier.
Naja, nach dem Aufstehen merke ich, dass ich bis auf meinen Rücken die Tour erstaunlicherweise auch ganz gut überstanden habe. Nach den wiederkehrenden Pfannkuchen in der Früh, mache ich mich auf den Weg zum Gym, mache etwas Spinning (20min), ein bisschen auf dem Crosstrainer (30min) und merke beim Spinning, dass mein Gesäß neben meinem Rücken gestern auch ein bisschen in Mitleidenschaft gezogen worden ist.
Hat zur Folge, dass ich auf dem Rad wie ein Vogel auf dem Stangerl sitze und versuche, eine bequeme Position zu finden, was mir nicht ganz so gelingt. Frage mich, wie die das in der Tour de France 3 Wochen lang machen können.

Naja, aber ich beklage mich nicht laut, sondern nur leise in mich hinein. Bin nämlich immer noch ganz glücklich, wie das gestern gelaufen ist.

Heute sind auch zwei neue deutsche Läufer aus Bremen angekommen. Katharina und Tom, die wie ich das erste Mal in Kenia sind. Für Tom gilt wie für mich auch erstes Mal Afrika und man merkt beiden an, dass neben der Müdigkeit vom Flug auch die zahlreichen neuen Eindrücke, die ich ebenso hatte, einen halb erschlagen. Für mich ein kleiner Rückblick, wie es mir zu Beginn ergangen ist. Da sie noch keinerlei Bargeld haben, gehe ich mit Ihnen zur Bank im Zentrum von Iten und erkläre ihnen dabei, auf was man achten muss, wie man von A nach B kommt und was ich sonst noch in den 4 Wochen gelernt habe. Vom Nixwisser zum Reiseguide, auch eine Entwicklung:-) Aber es gibt noch viel weiteres zu entdecken hier, da bin ich mir sicher. Ich nutze gleichzeitig die Gelegenheit, auch selbst Geld abzuheben, um damit meine Unterkunft hier zu bezahlen.

Wieder in der Unterkunft mache ich 45min Athletik und 45min Spinning, allerdings nicht so intensiv, um die letzten zwei Tage etwas zu verdauen.

Abends gibt es Nudeln mit einer Hackfleischsoße, welche eine willkommene Abwechslung hier darstellt, wobei anscheinend heute Nudel-Tag gewesen ist, da es schon zu Mittag Nudeln gegeben hat.

Beim Essen unterhalten wir Deutsche uns mit zwei Dänen und planen den nächsten Tag bevor es ins Bett geht. Dieses Mal hoffentlich ohne Regenkonzert.

29. Februar Tag 30

Nach dem ruhigen Tag möchte ich heute mal wieder einen Laufversuch wagen. Die Nacht ist dieses Mal ohne Regenkonzert und in der Früh gibt es tatsächlich, ich kann es selbst kaum glauben, French Toast, wobei ich jetzt sagen muss, dass das jetzt nicht hätte sein müssen. Aber zumindest etwas Abwechslung. 
Damit meine Muskulatur zum Laufen warm genug ist, wärme ich mich zuvor eine Viertelstunde auf dem Spinningrad auf. Anschließend lege ich mit dem Laufen los und merke, dass es jetzt zwar noch nicht perfekt und weg ist, aber zumindest aushaltbar ist. Ich laufe 6km in einem Schnitt von 4:49, was mir schwer fällt, da es einfach langsam ist. Aber ich bin erstmal froh, dass ich mal wieder unterwegs bin. Anschließend dehne ich mich noch extra lang. So riskiere ich nichts. Morgen schaue ich, ob es besser oder schlechter geworden ist. Ich hoffe natürlich, dass das Erste zutrifft.

Zum Mittagessen gibt es Reis mit Linsen und danach mache ich mich relativ schnell zur zweiten Einheit auf, um rechtzeitig um 16 Uhr für den Physio bereit zu sein. Ich mache Athletik und Spinning.
Zwischen den Einheiten verabschiede ich mich noch von Hendrik und Esther, die heute nach Deutschland abreisen und am Sonntag bei den Deutschen Meisterschaften über 10km Straße hoffentlich richtig einen raushauen. Wir Deutschen in Iten werden es in der Ferne auf jeden Fall verfolgen!

Damit heute ein bisschen der Puls hoch kommt, entschließe ich mich die 1 Stunde Spinning wieder mit Intervallen auszustatten. Dieses Mal 12×2min mit 1min Pause dazwischen. Dabei merke ich, dass meine Beine von der Tour am Dienstag noch etwas im Eimer sind, was ich aber nicht weiter schlimm finde. Was mich mehr stört, ist, dass das Grundstück gegenüber, auf welches ich beim Spinning blicke, mal wieder Plastik oder weiß der Geier was verbrennt. Irgendwann schließe ich die Fenster, allerdings schon zu spät, sodass ich mir vorkomme, wie ein Fisch im Räucherstübchen. In den lockeren Phasen halte ich mir deswegen auch mal das Handtuch vor den Mund. Atme lieber meinen Schweiß ein, als das, was da verbrannt wird.

Nach 1h ziehe ich mich als frisches Räucherstäbchen schnell um und gehe sofort wieder zurück zu Physio Ben. Dieser schiebt mich mal wieder von A nach B, aber ich merke, dass dies meiner Muskulatur hilft. Nach der "Massage" lege ich die Füße hoch, um die Beine zu entspannen und die Massage wirken zu lassen und am Abend gibt es noch wirklich leckere Frühlingsrollen mit Kartoffelchips.

1. März Tag 31

Heute plane ich 10km zu laufen. Gerne möchte ich mehr laufen, aber ich weiß, dass zu viel am Anfang nicht immer viel hilft. Und vielleicht wird es ja so hier doch wieder ein Blog über's Laufen.
Zum Frühstück gibt es leckere Mandasi, die ich in letzter Zeit wahrlich vermisst habe.
Danach wärme ich mich 15min auf dem Spinningrad auf und anschließend beginne ich meine 10km zu laufen. Dankenswerterweise merke ich, dass mein Oberschenkel zu gestern nicht schlechter, sondern sogar ein bisschen besser geworden ist. Ich bin auf jeden Fall sicherer unterwegs und muss mich nach Kilometer 2 und 3 in unter 4min auf dem Kilometer etwas bremsen. Will es ja wie gesagt nicht übertreiben. Auf dem Weg überhole ich eine Truppe europäischer Läufer. Zunächst denke ich, dass dies die Gruppe von Jan Fitschen ist, die derzeit hier in Iten ist. Als ich dann aber "Servus" sage, merke ich unmittelbar in derselben Sekunde, dass es sich um Franzosen handelt. Haben mich also nicht verstanden, aber zumindest hab ich für meinen Teil gegrüßt:-)

Während des Laufens werde ich wieder von vielen Kindern gegrüßt und manche wollen auch mitlaufen. Allerdings bin ich jetzt wieder schneller als gestern unterwegs, sodass sie meist nach 2 Schritten wieder stehen bleiben.

Ich laufe eine gute 5-6km Runde und schließlich noch mal kurz meine Route "Wurm" hin und zurück. 150 Höhenmeter auf 10km beeindrucken mich Flachländer dann doch immer wieder. Mit einem Schnitt von 4:15 kann ich zumindest auch mal wieder etwas anfangen.
Direkt im Anschluss dehne und rolle ich mich 30 Minuten ausführlich, damit der Fortschritt weiter so bleibt. Ich schaue weiterhin einfach von Tag zu Tag und gebe mein Bestes und hoffe das Beste.

Nach dem Mittagessen und einem kurzen Mittagsschlaf mache ich mich auf zur zweiten Einheit. Dieses Mal 2h Spinning. Meine Beine sind tatsächlich das erste Mal etwas schwer vom Gefühl her, was ich aber gut finde, da ich so weiß, dass mein Körper und Kopf sich nicht nur mit der vorherigen Schmerzstelle am Oberschenkel wie sonst zuvor beschäftigt.
Während des Spinnings darf ich beobachten wie die Holländer Krafttraining machen. Insgesamt 20min werde ich von den Übungen und deren Musik ein bisschen abgelenkt. Dann sind sie schon wieder verschwunden. Kurz darauf sehe ich beim Blick aus dem Fenster dunkle Wolken aufziehen, die sich 10 Minuten später im Gewitter entladen. Bringt Abkühlung in die Bude. Nur meine Wäsche, die draußen zum Trocknen hängt, darf jetzt wohl noch eine Nacht im Freien übernachten.
Nach 2h Spinning im mittleren Tempo freue ich mich auf das Abendessen. Es gibt Chapati mit Reis, was ich sehr gerne mag. Abends telefoniere ich kurz mit meinen Eltern, lege ich mich ins Bett und lese meinen Roman.

2. März Tag 32

Aufstehen, kurzer Check wie es mir körperlich geht... schaut gut aus! Zum Frühstück gibt es "endlich" wieder Pfannkuchen. Hab sie direkt vermisst. Dann mach ich mich kurz fertig, Sonnencreme drauf, Schuhe an und rauf auf's Spinningrad für wieder 15min. Danach gleich weiter zum Laufen. Aufgabe 10-15km wenn es geht, am Ende sind es 15km in 4:08 mit 250 Höhenmetern. Hoffe, dass es nicht zu viel gewesen ist und ich es nicht später wieder bereue. Aber ich bin positiv. Ich laufe dabei an der berühmten St.Patrick Schule vorbei, dann am Markt entlang und schließlich den letzten Kilometer an der Klippe vom Kerio View zum C&C Guesthouse.
Ich bin ganz zufrieden, ist es ja erst der dritte Tag nach der Laufpause. 

Danach dehne ich mich für 40min und um 13 Uhr geht es auch wieder einmal zu Ben, der mit einem nagelneuen Niederlande Trikot schon auf mich wartet, das er von irgendeinem Niederländer bekommen hat. Muss ich nächstes Mal, falls ich nochmal herkomme, ein anderes Trikot auftreiben. Ben sagt mir auf jeden Fall beim Massieren des Oberschenkels, dass es spürbar besser wird und nur noch ein kleiner Punkt etwas fest ist. Dann hoff ich mal, dass das so bleibt oder natürlich besser wird und ich wieder das Gefühl von rundem Laufen habe. 

Nach dem Mittagessen kaufe ich noch beim Supermarkt an der Tankstelle ein Müsli. Bekomme zwar nicht das, was ich gerne hätte, aber ansonsten wird die Milch schlecht und das ist dann auch blöd. Das Müsli heißt passenderweise "Shapies". Schauen wir mal, ob es mich hier die letzten zwei Wochen in Shape bringt. Und es hat ein Rätsel auf der Rückseite. Kann ich mir die Zeit vertreiben. Ich darf zwar 10 Minuten warten, bis ich mein Müsli bezahlen darf, da von links und rechts immer wieder jemand seine Sachen reinhält und schnell bezahlen möchte. Aber ich hab ja Zeit. Insgesamt habe ich hier gelernt, wie man entspannter mit der Zeit und auch der Schnelligkeit des Internets umgeht. Wenn die Internetseite mal mehr als eine Minute lädt, dann ist das kein Problem mehr und ich stresse mich auch nicht. Das Laden von Serien oder Videos kann man sowieso halb vergessen, außer man will 10 Sekunden Schnipsel pro Minute ansehen. Aber ich finde das gar nicht mal so schlimm. Es ist nicht so gehetzt und getaktet wie zuhause, wo gefühlt jede Sekunde zählt und man immer irgendein Social Media Dings oder Videostream ansieht. So lese ich jetzt oft abends für ein bis zwei Stunden, was ich zuhause definitiv nie gemacht habe. Wenn zuhause das WLAN wieder super schnell geht, werd ich wahrscheinlich erstmal überfordert sein ;-)

Nach einer kurzen Pause geht es direkt zum Athletik (30min) und danach auf's Spinningbike, das mich bestimmt schon vermisst hat. 1 Stunde steht an und ich beschließe aus irgendeinem Grund hohe Trittfrequenz zu machen, was zur Folge hat, daß es anstrengender wird als gedacht. Über 100 Umdrehungen pro Minute ziehen dann doch irgendwann. 

Zum Abendessen gibt es Ugali, Reis, Kraut und Ziegenknochen mit bisschen Fleisch dran. Ich versuche Katharina zu überzeugen, mal das Ugali zu probieren, allerdings ohne Erfolg, sodass am Ende Tom und ich ihr Stück übernehmen. Zu Ihrer Verteidigung, es schmeckt wirklich nach gar nichts und es gibt definitiv leckere Sachen. 

Zum Abschluss möchte ich noch auf die Spendenaktion für die Grundschule hier in der Nähe von Iten aufmerksam machen, die mein texanischer Freund Caleb ins Leben gerufen hat. Schaut es euch gerne an. Lest es euch durch, die Schule freut sich über jeden Cent.
Hier der Link dazu:
https://givebutter.com/Caleb4KidsInKenya

3. März Tag 33

Der Tag beginnt wieder mit Pfannkuchen und meinem 15min Spinning Aufwärmen. Danach stehen 15km an, dieses mal aber gesteigert. Sonst wird es ja langweilig. Ich beschließe die Kapkoi Straße, oder wie auch immer sie heißt, zu laufen, die ich bereits von einem längeren Lauf kenne. Allerdings nicht so gut anscheinend. Ich dachte nämlich, dass sie am Anfang relativ flach ist. Es stellt sich jedoch heraus, dass sie von Beginn an sehr hügelig ist. Das hat zur Folge, dass ich relativ schnell merke, dass eine Steigerung nach Kilometerschnitt nur schwer umsetzbar ist. Deswegen beschließe ich nach Effort zu laufen. Ich steigere mich trotzdem von 4:15 auf 3:38, wobei ich allgemein versuche, immer in 5km Schritten etwas zu beschleunigen. Also 3 Stufen.
Als ich bei Kilometer 9 einen Anstieg in 3:45 hinauflaufe, gesellen sich ein ungefähr 9-jähriges Mädchen und ein circa 5-jähriger Junge zu mir und laufen neben mir in Crocs mit. Der Junge schafft 100m und das Mädchen 300m. Insgeheim hoffe ich, dass es früher passiert, bis sie nicht mehr mitkommt. Komme mir schon vor wie ein kompletter Amateur. Aber man sieht mal wieder, welchen Stellenwert das Laufen bei den Kindern bereits hat und welche Freude es ihnen bereitet.
Auf den letzten 3km bekomme ich aber wieder einen kleinen Selbstvertrauensboost, als ich Jimmy Gressier, ein französischer Spitzenläufer, vor mir zusammen mit einem Laufpartner entdecke. Als ich ihn überhole, ruft er mir überrascht irgendetwas hinterher. Hat wahrscheinlich nicht mit einem Muzungu gerechnet, der ihn da bei seinem Longrun überholt.
Im Guesthouse komme ich genau nach 15,2km an (Schnitt 3:53) und sehe wie Ben auf seinen nächsten "Patienten" wartet. Da dieser aber anscheinend nicht auftaucht, frage ich ihn spontan, ob er mich schnell massiert. Gesagt getan. Spontan ist manchmal doch am Besten.
Dabei unterhalte ich mich das erste Mal sogar etwas mit Ben und erfahre, dass er kein Fan von Kipchoge ist und nicht überrascht ist, dass dieser beim Tokio Marathon nicht so gut gewesen ist. Die Abneigung gegenüber Kipchoge hat sogar seinen Lieblingsverein im Fußball beeinflusst. Von Manchester United zu FC Barcelona. Anscheinend weil das Team NN Running von Kipchoge irgendwas mit ManUnited zu tun hat. Wieder erkenne ich die für mich wirklich überraschende Abneigung gegenüber Kipchoge. Und das ist wahrlich kein Einzelfall hier in Iten.
Beim Mittagessen treffen wir Deutschen uns im Freien und verfolgen gespannt die Liveergebnisse von der DM 10km Straße.
Besonders freue ich mich dabei über den Erfolg von Esther und Hendrik, die beide nicht nur dicke PB's aufgestellt haben, sondern auch beide Medaillen holen. Richtig cool!

Am Nachmittag laufe ich mit Nic noch 6km zusammen, was ich persönlich sehr schön finde, da ich seit 3 Wochen alles immer allein gemacht habe. Schnell ist es nicht, aber machen die Kenianer am Nachmittag ja auch nicht. "Pole pole"!!!

Abends gibt es leckere Chapati und mit gefülltem Magen geht der Tag auch wieder vorbei!

4. März Tag 34

Neue Woche, neuer Tag. Heute fahre ich zur Moibenstraße, um zum einen diese hier berühmte Laufstrecke selbst zu laufen und zum anderen mal etwas flacher zu laufen. Die vielen Hügel und Anstiege machen ein "rollendes" Gefühl sonst immer sehr schwer. Die Straße wird deswegen von zahlreichen Athleten als Tempodauerlauf oder Longrun Strecke hergenommen.
Da die Straße Richtung Moiben allerdings knappe 17km entfernt von Iten liegt, muss ich da zunächst irgendwie hinkommen. Da ich mich mit den Preisen immer noch nicht so auskenne, frage ich Nic, wie der Preis für Matatu hin und zurück ist plus ein Picki-Picki als Begleitfahrzeug. Nic sagt mir alles in allem circa 800 kenianische Schilling. Mit dieser Einstellung gehe ich zur Tankstelle an die Hauptstraße und während des Weges überlege ich mir schon, ob nicht ein Picki-Picki für alles am Einfachsten ist. Muss ich vielleicht mehr zahlen, aber 200 Schilling nehme ich in Kauf. An der Tankstelle sehe ich auch gleich einen mir bekannten Fahrer, der zunächst 1500 verlangt. Ich sage maximal 1000, was er schließlich auch akzeptiert.
Ich schwinge mich also aufs Motorrad und wir fahren zusammen zur Straße die zum Ort Moiben führt. Nach einiger Zeit erzählt er mir, wie Ben tags zuvor, Sachen von Eliud Kipchoge. Da wird einmal sein "Misserfolg" in Tokio erwähnt und dann wieder die Thematik von Kiptum und ihm. Auch dass Kipchoge's Volksstamm in der Nähe von Eldoret vertreten ist und er mir rät, dort nie allein und vor allem nicht nachts dorthin zu gehen, da dies gefährliche und schlechte Menschen sind, gehört zum Bericht. Außerdem sagt er, dass keiner in Iten Kipchoge mag. Beiläufig erzählt er auch, wie viel Geld Kipchoge pro Monat verdient und ich frage mich, ob hier Neid diesen Hass erzeugt hat oder tatsächlich der Mensch Kipchoge nicht gemocht wird.
Vielleicht bekomme ich das noch genauer heraus.
Nach diesem Gespräch kommen wir auch bei der gewünschten Kreuzung an. Wir biegen rechts ab und mein Fahrer lässt mich kurz danach vom Picki-Picki absteigen. Ich dehne mich kurz und wärme mich auf, wobei ich dies schon vor der Fahrt intensiver gemacht habe.
Danach geht es auch gleich los, mein Fahrer macht währenddessen Videos und Fotos und ich laufe zunächst 7,5km in eine Richtung bevor ich umdrehe. Schnell merke ich, dass es sehr zügig wird. Bin mir unschlüssig, ob es daran liegt, dass es fast flach ist (Nur 56 Höhenmeter) oder ich einfach mal glücklich bin, dass es immer besser läuft. Wobei ich stets immer noch hoffe, dass es einfach so bleibt. Möchte nicht zu euphorisch sein.
Die ersten 5km sind in einem Schnitt von 3:51, dann 5km in einem Schnitt von 3:35 und am Ende beträgt der Schnitt für die letzten 5km 3:24. Ich gebe zu, dass es hart wird hinten raus und auch der Mund etwas trocken wird, aber das gehört dazu und macht einen am Ende ja auch wieder stolz, wenn man es durchgezogen hat. Am Ende sind es 15km in einem Schnitt von 3:37. Einziges Manko: Ich habe die Giraffen nicht gesehen, die man hier an der Straßenseite des Öfteren sehen kann. Aber vielleicht hab ich ja noch einmal eine Möglichkeit, dies zu wiederholen.
Beim Zurückfahren zeigt mir mein Fahrer einen Geldtransporter und erklärt mir bis ins kleinste Detail, was das ist, wo die herkommen und dass er nicht den Job der Fahrer haben möchte, da diese bei Überfällen oft erschossen werden. Erwähnt er mit einem Grinsen im Gesicht. Bisschen makaber, aber ich habe gelernt, manche Dinge hier in Kenia nicht zu hinterfragen. Auf den letzten Metern bergab zur Tankstelle verliere ich dann noch meine Kappe aufgrund des Windes und muss erstmal wieder den Berg hinaufgehen. Da es bis zur Tankstelle nicht mehr weit ist, beschließe ich, die letzten paar Meter zum Zimmer zu Fuß zu gehen. Meine 500m Auslaufen also.
Als ich wieder im Guesthouses bin und im Gym mich zum Dehnen einfinde, hat ein Däne erstmal so laut Musik aufgedreht, dass ich mich wie bei einer Hausparty vorkomme. Aber bringt mal Abwechslung ins Gym, was nicht schadet.
Ich gönne mir anschließend eine Sprite, was hier nicht allzu oft bislang vorkam und versuche erstmal meine Beine wieder in den Griff zu bekommen. Am Nachmittag laufe ich noch 10km in 4:33, was wegen der müden Beine und Höhenmeter aber anstrengender ist, als es sich anhört. 

Kurz darauf fängt es auch an, stark zu regnen und ich bin froh, bereits mit dem Lauf fertig zu sein.
Vor dem Abendessen gehe ich noch zum Alchemisten. Ja, so heißen hier die Apotheken. Wer weiß, was dort in den Hinterzimmern gepanscht wird. Ich besorge mir Magnesium. Für jede Tablette verlangt die Dame hinterm Tresen 30 kenianische Schilling und ich überlege mir danach, ob sie mich nicht ein bisschen über den Tisch gezogen hat. Da ich aber zu diesem Zeitpunkt nicht ganz den Wechselkurs im Kopf habe, ist mir das in dem Moment egal gewesen. Im Nieselregen gehe ich wieder zurück und abends gibt es Spaghetti Bolognese. Wir Deutschen kommen als letztes zum Essen, was zur Folge hat, dass wir draußen sitzen dürfen, was aber bei den angenehmen Temperaturen kein Problem ist.

5. März Tag 35

Der Tag beginnt früher als sonst, da für mich heute ein Track Workout ansteht. Wenn man die 200er zu Beginn meines Trainingslagers ignoriert, ist dies mein erstes richtiges Workout. In der Früh esse ich ein Müsli, bereite alles vor, was ich benötige und mache mich auf den Weg zur 3,5km entfernten Kamariny Track. Dort um 7:40 Uhr mit dem Picki-Picki angekommen, sehe ich schon viele Kenianer auf der Bahn ihre Runden drehen. So viele wie gedacht, sind es allerdings noch nicht. Auch sind nur zwei Muzungus anwesend, wovon einer jedoch als Pacemaker nicht in Frage kommt, da er ungefähr 70 Jahre ist.
Aber das ändert sich während des Einlaufens schnell, als eine riesige französische Hobbylaufgruppe kommt und die Bahn für sich gefühlt in Anspruch nimmt. Während des Einlaufens wird mir auch bewusst, warum die Kenianer heute etwas später kommen. Zum einen liegt es am Wetter, das heute etwas kälter ist, zum anderen liegt es an der Tatsache, dass es in der Nacht geregnet hat. Da es sich bei der Kamariny Track um eine Dirt Track handelt, ist diese deswegen etwas aufgeweicht und es bleiben immer wieder Klumpen an den Schuhen haften. Hat zur Folge, dass meine weiße Jacke hinten nun komplett braun ist und man leicht annehmen kann, dass es nicht Dreck ist. Ist nach der Wäsche heute auch nicht rausgegangen. Muss ich wahrscheinlich selbst ran. Aber ich schweife ab. Wieder zurück zur Bahn. Zwischen all den Franzosen und Kenianern sehe ich auf einmal den Niederländer Lucas, der anscheinend auch ein Workout plant. Es stellt sich heraus, dass es fast dasselbe ist, nur ein bisschen schneller. Also nehme ich mir vor einfach mal den ersten Kilometer immer mitzugehen und dann zu schauen, was ich alleine noch schaffe. Die Aufgabe für mich lautet 3×3000m mit 5min Pause. Pause ist bisschen lang, aber für das erste richtige Workout in der Höhe voll in Ordnung.
Ich laufe relativ konstante Runden und am Ende stehen 9:42, 9:43 und 9:44 in den Büchern. Während des Laufes schließen sich immer wieder französische Läufer für 100-400m an, was ein bisschen Motivation gibt. Die kenianischen Gruppen düsen meist in einem Wahnsinnstempo an einem vorbei, sodass man meint, man geht gerade zu Fuß.
Toni, den ich beim Longrun vor 3 Wochen kennengelernt habe, war an diesem Tag der schnellste und lief laut eigener Aussage immer 30×400m in 63 Sekunden.
Ich freue mich einfach, mal wieder so schnell unterwegs zu sein und versuche mich auch nicht davon irritieren zu lassen, dass die Bahn 410-415m lang ist. Warum das so ist, muss man den Baumeister persönlich fragen.

Ich bin am Ende aber ganz zufrieden, habe ich zum einen wenig Schmerzen gehabt und zum anderen endlich mal ein richtiges Workout gemacht.
Beim Auslaufen kommt die deutsche Gruppe um Jan Fitschen, mit dem ich mich kurz unterhalte und der dabei ein bisschen verwundert ist, was für Gestalten auf der Bahn 1 unbedingt ihre Runden drehen müssen. Passenderweise kommt dabei einer um die Kurve, der in Jogginghose in einem Fünfer Schnitt die Bahn blockiert. Anscheinend sind deswegen auch kenianische Gruppen nicht mehr am Dienstag Morgen auf der Kamariny Bahn.
Den Deutschen wird deswegen gesagt, nicht auf Bahn 1 zu gehen.
Am Ende des Auslaufens darf ich mit Norbert Wilhelmi noch ein paar Fotos machen und er zeigt mir Wilson Kipsang, den ehemaligen Weltrekordhalter im Marathon, der anscheinend mit 41 Jahren sein Comeback vorbereitet. Ich gebe zu, dass ich ihn nur vom Namen her gekannt habe, da es einfach vor meiner aktiven Laufzeit gewesen ist, weshalb ich erstmal blöd in der Gegend schaue, als Norbert mir ihn versucht zu zeigen. Beim Verlassen des Stadions sehe ich beim Blick zurück auf einmal, wie wirklich zwei gigantische Gruppen die Bahn säumen und fast kein Muzungu mehr ersichtlich ist. Dreiviertel der 410m Bahn ist nun besetzt. Das war dann wirklich so, wie ich es in der Früh erwartet habe und kam aus dem nichts. Liegt vermutlich daran, dass die Bahn nun nicht mehr so vom Regen aufgeweicht ist.

Im Guesthouse angekommen gehe ich erstmal zum zweiten Frühstück und gehe meine Schuhe inspizieren, die mehr Braun als weiß sind. Geheimtipp von mir: Weiße Schuhe hier in Kenia auf den Dirt Roads werden nicht mehr lange weiß sein.

Da Physio Ben aus irgendeinem Grund nicht da ist, obwohl wir alle einen Termin haben, beschließen Nic, Katja, Katharina, Tom Ole und ich, zum Essen zum View Point zu fahren. Wir haben mal wieder Glück und müssen nur 1 Stunde 15 Minuten auf das Essen warten, nachdem 45 Minuten angekündigt worden sind. Mittlerweile muss ich zugeben, sehe ich das gelassen und habe es fast erwartet. Währenddessen hören wir wieder die All-Time Hits von Michael Buble und ich bin fast enttäuscht, dass nicht auch noch Weihnachtslieder von ihm gespielt werden.

Danach steht für mich heute der erste freie Nachmittag seit 3 Wochen an, was meine müden Beine dankbar annehmen. Ich lege mich etwas hin, lese und gehe abends zum Essen, wo Nic, Katja und ich wieder draußen sitzen dürfen. Da es aber nicht regnet, geht das voll in Ordnung!