7. Februar Tag 8

Heute ist ein normaler Trainingstag geplant. Schadet mir auch mal nicht.

Beginnen tut der Tag mit einem Frühstück, es gibt Mandasi. Ein kenianisches Gericht, das von allen Gästen sehr gemocht wird. Man kann es wie ein frittiertes Brot beschreiben, das man zusammen mit Zucker, wie in meinem Fall, oder Erdnussbutter isst. Ich bin begeistert und schlage reichlich zu, denn man weiß nie, was man den restlichen Tag zum Essen bekommt. 

Danach mache ich mich bereit für einen zügigen 15 km Lauf. Ich nehme wieder meine Route "Wurm", dieses Mal nur verlängert. Dadurch vermeide ich unbekannte Routen und habe etwas weniger Höhenmeter. Die Nachteile sind jedoch, dass der Rückweg zum einen mit teilweise starkem Gegenwind absolviert werden muss und man zum anderen die ganzen Höhenmeter bergauf zurücklaufen darf. Ich glaube, dass man dies auf dem Screenshot gut erkennen kann. Insgesamt laufe ich 15 km in einem Schnitt von 3:49 auf dem Kilometer, wobei der Rückweg schneller vorbeigeht als der Hinweg.

Da ich alleine unterwegs bin, habe ich zuvor von meiner Mutter den Auftrag bekommen, ihr nach dem Lauf 10 Dinge zu erzählen, die mir während des Laufes aufgefallen sind. 

Diese liefere ich hiermit:

  1. Aus allen Ecken kommen Läufer -- > Pinkelpausen müssen perfekt getimed sein.
  2. Kinder grüßen dich aus allen Richtungen
  3. Ich habe während des Laufes ungefähr mit 10 Kindern abgeklatscht
  4. Ziegen sind an der Straße angebunden und wollen ausreißen.
  5. Ein ländliches Gefährt mit Anhänger schneidet mir den Weg 
  6. Ich drehe genau beim Ortsschild des Elgeyo-Marakwet Countys um
  7. Polizei macht Straßenkontrollen
  8. Das Beste! Ein Junge in Badeschlappen begleitet mich für 500m in Badeschlappen bergauf in einem Schnitt von 4:00. "Das kann doch jetzt nicht wahr sein! Ich schnauf, wie ein Ochse, aber er joggt da neben mir in Badelatschen her?!", denke ich mir. Faszinierend und demütigend zugleich
  9.  Tuk-Tuk stehen an jeder zweiten Seitenstraße und warten darauf, Passagiere zu bekommen.
  10.  Ich muss spannendere Routen finden.

So geht mein Lauf zu Ende und ich besuche kurz darauf wieder Ben, den Physio, und absolviere wieder meine 90° Drehung auf der Liege. Da mein Oberschenkel außen derzeit etwas fest ist, frage ich ihn, ob er diese Stelle etwas spezieller machen kann, was ich kurz darauf ein bisschen bereue, da dies äußerst schmerzhaft wird. Aber wenn es hilft, nehme ich es gerne in Kauf.

Zu Mittag gibt es Reis, Linsen und Kartoffeln und anschließend mache ich mich nach einer kurzen Pause fertig für meine zweite Einheit. Diese lautet 90 min auf dem Spinningrad.

Im Kraftraum ist dies aufgrund der stehenden Luft eine etwas schwitzigere Angelegenheit. Deswegen ist meine Motivation zunächst nicht all zu hoch. Schließlich schalte ich meine Kopfhörer an und mache den Shuffle Modus an. Lasse mich überraschen. Spotify nennt dies laut meinem letzten Jahresrückblick "Robotiker". Als dann nach einer halben Stunde "Rocket Man" von Elton John läuft und am Ende dieser gefühlte 10 mal "It's gonna be a long, long time!" singt, überlege ich mir das nächste Mal vermutlich doch Spotify Premium zuzulegen, um vom Algorithmus das nächste Mal nicht nochmals veräppelt zu werden.

Nach einer Stunde kommt jedoch Lin auf das zweite Bike hinzu und so vergeht die restliche halbe Stunde viel schneller. 

Zum Abendessen gibt es schließlich noch Samosas, das sind kenianische Teigtaschen mit Hackfleisch gefüllt, und natürlich wieder Reis. Gott sei Dank liebe ich Reis!

In diesem Sinne bis morgen! 

PS: Wer das noch liest und etwas spezielles über Iten oder die kenianische Kultur wissen möchte, der schreibt mir auf Instagram @tobiulbrich sehr gerne eine Nachricht. Dann schaue ich, was machen kann. Auch über Feedback freue ich mich sehr!

8. Februar Tag 9

Heute steht ein Restday an!

An solch einem Tag mache ich entweder überhaupt nichts oder lockeres Alternativtraining. Aus diesem Grund plane ich beim sogenannten High Altitude Training Center vorbeizuschauen, kurz HATC, da diese einen 4 x 25m Pool haben, der ideal zum Schwimmen geeignet wäre. Gesagt, getan und so gehe ich nach dem Frühstück (es gab Pfannkuchen und Spiegeleier;-))) 1 km den Berg hinauf bis zum Ortseingang von Iten, an dem ein großer Bogen alle Läufer mit dem Spruch "Home of Champions" begrüßt. Das Banner kennen bestimmt viele von den Instagrambeiträgen und Storys der Läufer, da dies das Wahrzeichen von Iten ist.

Kurz nach dem Banner biege ich links ab zum HATC und frage den Security Guard, ob ich rein darf und ob es möglich ist, dort zu schwimmen. Dort werde ich schnell abgewiesen mit den Worten: "No swimming for non-guests of HATC!" Kurz überlege ich, noch etwas mehr nachzuhaken und vielleicht etwas bewirken zu können, merke aber schnell, dass dies ohne Aussicht auf Erfolg ist.

Da ich jedoch schon zuvor im Guesthouse von meinen Mitbewohnern davor gewarnt worden bin, dass dies so passieren wird, war ich nicht allzu sehr überrascht. Hilft nichts, muss ich nach Alternativen recherchieren. Eine Idee habe ich auch schon – die in der nächsten Zeit vermutlich getestet wird.

Auf dem Rückweg habe ich mir so oder so vorgenommen, bei "Swiss Side", eine weitere Unterkunft, vorbeizusehen und dort ein Eisbad für die Regeneration zu nehmen. Kostenpunkt: 4 Dollar! Fand ich akzeptabel und für die Regeneration auch hilfreich.

Als ich durch das Tor gehe, werde ich schon von einem Angestellten empfangen und zwei Minuten später sehe ich mich schon in das Eisbad hineinkrabbeln. Leider habe ich in der Eile kein Foto machen können und danach habe ich andere Probleme gehabt. Die ersten 2 Minuten muss ich schnaufen wie ein Maikäfer, schließlich wird es besser, da ich einfach meine Füße nicht mehr spüre.  Nach 20 Minuten bei knappen 8°C, wo vermutlich jeder Eisschwimmmer nur müde lächelt, gehe ich aus dem Becken und taumle zum Handtuch. Meine Beine sind taub, brennen und frieren zugleich. Ich ziehe mich um. Wie ein Betrunkener mit 2 Promille. Anschließend gehe ich bibbernd den Hügel hinunter zu meiner Unterkunft. Dort lege ich mich erstmal eine Stunde mit Jacke und langer Hose ins Bett, da mir immer noch kalt ist.

Neben dem Eisbad steht heute nur mein Umzug in den unteren Teil des Guesthouses an. Es geschieht regelmäßig, dass die Bewohner der Unterkunft von einem in das andere Zimmer umziehen. Aus diesem Grund bewege ich mich nun in Zimmer 8 neben Hendrik und Esther, die heute angekommen ist.

Ein bisschen schade finde ich meinen Umzug schon, da mein texanischer Mitbewohner und ich sehr gut zurecht gekommen sind. Allerdings werde ich meinen täglichen Kampf mit dem Koffer und dem Suchen geeigneter Kleidung nicht vermissen. Der Schrank bietet kaum Platz für zwei Personen, sodass fast mein gesamtes Hab und Gut seit einer Woche auf dem Bett neben mir liegt, was mir persönlich eigentlich nicht sehr gefällt. Ich weiß sonst schon gerne, wo etwas zu finden ist.

Nachts bewege ich mich auch immer mit Stirnlampe im Zimmer herum und lese damit im Bett, da der Schalter auf der anderen Seite des Bettes liegt. Ein bisschen Abenteuerfeeling beim Lesen soll ja auch aufkommen.

Vor dem Umzug darf ich noch kurz Kammerjäger spielen und ein mittelgroßes Insekt bei Lin und Ann aus dem Zimmer entfernen. :D

Der Umzug sieht so aus, dass ich vom oberen Teil meine Sachen nach unten bringe und nach dem Abliefern wieder zurückgehe. Insgesamt 5 Mal. Da ich aber überhaupt keinen Stress empfinde, lasse ich mir Zeit. Die Zimmer im unteren Teil sind meiner Meinung etwas moderner eingerichtet. So hat das Zimmer einen größeren Schrank, einen Sofasessel und eine Nachttischlampe mit einem Schalter beim Bett. Schade, um die Stirnlampe...

Einzig der Druck der Klospülung lässt zu wünschen übrig. Hab mir schon gedacht, warum 2 Eimer im Klo stehen.

Nachdem ich alles eingerichtet habe und im Schrank verstaut habe, unterhalte ich mich kurz mit Hendrik und seinen Freunden Simon und Patrick, bevor es zum Abendessen geht.  

Danach spielen Nic, die Zwillinge Lin und Ann und ich mit 3 Dänen, deren Version des Kartenspiels "Arschloch". In Dänemark ist das eine Mischung aus Uno und unserer Version. Wir spielen 3 Runden (1. Runde gewonnen! Man kann auch sagen, "auch ein blindes Huhn findet mal ein Korn", die anderen beiden Runden verschweige ich lieber).

Und so geht der Tag auch wieder zu Ende.

9. Februar Tag 10

Nachdem ich gestern beim HATC abgewiesen worden bin, um zu schwimmen, habe ich überlegt nach Eldoret zu fahren. Dort gibt es nämlich ein paar Möglichkeiten zum Schwimmen.

Allerdings habe ich am gestrigen Abend noch eine Instagram Story von Fabio, ein portugiesischer Journalist, der hier ebenfalls im C&C Guesthouse übernachtet, gesehen,  die mich neugierig gemacht hat. Zu sehen, ein nagelneuer Komplex für Athleten in westlichem Stil mit einem 15m Schwimmbecken. Und das alles mitten im nirgendwo zwischen den Dirt Roads von Iten. 5km von hier entfernt.

Ich bin also sofort zu Fabio gegangen und habe nach den Möglichkeiten dort gefragt und habe daraufhin den Kontakt einer argentinischen Frau mit dem einprägsamen Namen Gina Gardini erhalten, welcher ich schließlich sofort geschrieben habe.

Heute früh erhalte ich also die Rückmeldung, dass sie mir hierbei sehr gerne behilflich ist und ich es beim ersten Mal sogar umsonst testen darf. Diese Hilfsbereitschaft und dieses Miteinander unter den Läufern und Mitmenschen ohne Neid und ohne eigenen Hintergedanken schätze ich sehr, was zu Hause oft selten der Fall ist.

Bevor ich aber am Nachmittag dort hinfahre, mache ich in der Früh nach dem Frühstück noch einen Mix aus Spinning und Athletik. Ich habe derzeit muskuläre Probleme in meinem linken Oberschenkel, weshalb ich heute und morgen auf Alternativtraining setze. Für mich persönlich mental eine harte Sache, da ich eigentlich laufen möchte. Ich habe aber gelernt, auf meinen Körper zu hören und ich möchte nicht denselben Fehler wie letztes Jahr machen, als ich immer weiter trainiert habe, bis es letztendlich zu spät gewesen ist
-->  3 Monate Laufpause
Die Tatsache, dass ich hier dies auch so offen schreibe, kostet mir Überwindung, zeigt mir aber, dass ich mich persönlich weiterentwickelt habe. Ich glaube, ich spreche für viele Sportler, egal ob leistungsorientiert oder nicht, dass dieser Schritt eine Pause einzulegen, am schwersten ist. Vor allem dann, wenn man hier im Laufmekka Iten ist.

Nun zurück. Nachdem ich also das Spinning und Athletik beende, mache ich mich nach dem Mittagessen bereit für das Schwimmen.
Kleiner Expertentipp:
Kontaktlinsen mit Finalgon an den Händen ist nicht zu empfehlen.
Zufälligerweise ist Gina Gardini hier im C&C Guesthouse gerade zu Besuch. Sie selbst hat hier zusammen mit ihrem Mann Julien ganze zwei Jahre gelebt und hilft immer wieder Neuankömmlingen, sich hier zurechtzufinden.

Ich unterhalte mich kurz mit ihr, bevor sie mir einen Piki-Piki Fahrer auftreibt. Hier muss ich kurz einen Recherche Fehler gestehen. Am Dienstag habe ich geschrieben, dass die Motorräder hier Tuk-Tuks sind. Aber ich hab mal nachgesehen. Tuk-Tuks sind die Dinger, die man aus Indien kennt, also Art Rikschas. Die gibt es hier eher weniger.
Piki-Piki dagegen sind die Motorräder.

Gina fragt also den Fahrer: "Do you know the White House?" Kurz denke ich, ich fahre zum US-Präsidenten, stelle dann aber fest, dass die Unterkunft damit gemeint ist.

Der Fahrer kennt glücklicherweise das "White House" und wir fahren 5km über die sogenannten Dirt Roads. Ich kralle mich also am Sitz fest und versuche, auf der holprigen Piste nicht herunterzupurzeln. Der Fahrer telefoniert währenddessen und ich denke mir nur: " Hoffentlich weiß der, was er tut!"
Ich versuche ihn, mit ein paar Fragen auf das wesentliche zu bringen, bewirke aber nur, dass er einhändig fährt und mit der freien Hand wild gestikuliert und nach hinten zeigt.
"Toll gemacht, Tobi..."
Nach guten 10 bis 15min Tortur kommen wir schließlich am White House irgendwo im nirgendwo an und ich treffe auf Julien, der mir den neuen Komplex und das Schwimmbecken zeigt. Das Becken liegt dabei in eine Art Atrium umgeben der Hotelzimmer.

Ich ziehe mich um und mache mich bereit.
Das Wasser ist kalt, aber es lässt sich aushalten. Es ist einigermaßen sauber, die Bienen, Insekten und anderen Krabbeltiere mal ausgenommen und so ziehe ich gut 45min meine Bahnen. Da die Sonne allerdings schnell verschwindet, wird mir relativ schnell kalt und ich entschließe mich, sicherheitshalber rauszugehen.
Aber Schwimmen in Iten, Kenia. Hab ich mir selbst gar nicht ausgedacht.
Leider hat auch die Dusche den Wärmeanschluss noch nicht mitbekommen, sodass mir nichts anderes übrig bleibt, als nur kurz unter die Dusche zu hüpfen.
Für die Rückfahrt bekomme ich den Standardfahrer Brian von Gina. Dieser kennt sich "glücklicherweise" so gut aus, dass wir irgendwelche Schleichwege fahren, was zur Folge hat, dass ich langsam überlege, ob die Fahrer hier an ihrem Leben hängen. Ich kralle mich also wieder am Sitz so stark fest wie es geht und versuche einfach nicht nach vorne zu sehen.
Abends gibt es für mich das erste Mal Ugali. Ein typisches Gericht in Kenia aus Maismehl, das im Prinzip nach gar nichts schmeckt, aber sättigend ist.
Danach gehen Nic, Lin, Ann und ich wieder zum Supermarkt an der Tankstelle und lassen den Abend entspannt ausklingen, bevor es im Nieselregen zurück ins Bett geht.

10. Februar Tag 11

Der Tag fängt entspannt an. Ich versuche so lange wie möglich zu schlafen. Also beginne ich nach einem entspannten Frühstück und dem Schreiben des Blogs um 11 Uhr mit dem Training. 

Ich habe mir 1,5 h Spinning plus minus 30 Minuten vorgenommen. Je nachdem wie es meinem Oberschenkel geht. Also rauf auf das Bike und losgeht die Schwitzsession.

Seit Donnerstag habe ich allerdings dank meines Onkels Spotify Premium, sodass mir Elton Johns Rocketman ab sofort erspart wird. Zumindest, wenn ich es nicht will.

Nach kurzer Zeit merke ich, dass es ganz gut geht und so entschließe ich mich für  2h Spinning. Wäre ja sonst langweilig... Auf jeden Fall schwitze ich mal wieder richtig und beobachte einen asiatischen Sportler bei seiner interessanten Art, Stabiübungen zu machen. Naja, jedem das Seine.

Das einzige Motivierende ist, dass ab Minute 100 die Anzeige wieder auf 0 springt. Merk ich mir für den Marathon. Aber 20 min später ist es sich schon geschafft. Meine Muskulatur kommt ganz gut damit klar und ich bin zuversichtlich am nächsten Tag wieder laufen zu können. 

Um mal auf andere Gedanken zu kommen, habe ich für die Zeit nach dem Mittagessen  mit drei Dänischen Bewohnern (Jakob, Kathrin und Frederik) tags zuvor ausgemacht, mal zur berühmten St. Patrick Highschool zu gehen. Am heutigen Tag findet nämlich ein großes Sportfest für zahlreiche Schulklassen statt. Die St. Patrick Highschool ist ausschließlich für Jungs und hat zahlreiche kenianische Topläufer hervorgebracht. Darunter Olympiasieger, Weltmeister und sogar Weltrekordhalter.

Erwähnenswert sind hier David Rudisha, Matthew Birir oder Wilson Kipketer, den meine dänischen Freunde besonders mögen, da dieser in den 90er die dänische Staatsbürgerschaft bekommen hat. Der Grund, weshalb der Sport bzw. vor allem das Laufen eine so große Rolle in dieser Schule spielt, ist der irische Missionar Colm O'Connell. Dieser hat ursprünglich geplant, für 3 Monate an der Highschool Geographie zu lehren und dort zu bleiben. Es ist komplett anders geworden und so lebt er noch heute in Iten, vielleicht bekomme ich noch ein Foto mit ihm. Er ist bekannt als "The Godfather of Kenyan running", da er zahlreiche Top-Athleten als Coach trainiert und gefördert hat und das obwohl er keine Trainerausbildung gehabt hat. Auf dem Gelände gibt es auch ein Museum und verschiedenste Bäume und Pflanzen haben eine Tafel mit dem Namen des Sportlers, der sie gepflanzt hat.

Im Moment besuchen ungefähr 2000 Schüler die Schule und davon leben circa 1000 Schüler auf engstem Raum (siehe Bild).  Als ich den Raum sehe, stelle ich mir nur den Geruch vor, der hier abends nach dem Sport herrscht. Auch die Klassenzimmer sind so voll, dass ich mir kaum vorstellen kann, wie das hier im Unterricht funktionieren soll. Ich sehe einen Stundenplan und realisiere, dass diese von Montag bis Freitag immer von 8 Uhr bis 16:10 Uhr Unterricht haben, nur unterbrochen von 4 kleineren bis mittelgroßen Pausen. Mir hat das eine Jahr in der 11. Klasse schon gereicht, als mein Stundenplan bis auf den Freitag ähnlich ausgefallen ist.

Zusätzlich gibt es eine riesige Mensa und ein Hauptgebäude, bei dem das Direktorat und die Trophäensammlung ist. Interessant fand ich auch die Schilder auf dem Platz vor dem Gebäude. Da hieß es einmal "This is a corruption free zone!" und einmal "You have entered a drug free zone!". Stellt sich mir nur die Frage, was dann in den Zimmern und Klassenzimmern außerhalb des Platzes so abgeht.

Wir schlendern also über das Schulgelände und sehen, wie verschiedenste Kinder in ihren individuellen Schuluniformen das Gelände fluten. Auf dem einen Platz finden Handballspiele statt mit Toren ohne Netz, sodass mir einmal der Ball direkt entgegen fliegt. In der anderen Halle wird Schach gespielt und woanders duellieren sich die Schüler beim Basketball. Und überall stehen mindestens doppelt so viele Menschen als Zuschauer herum. Eine wahnsinnige Atmosphäre und ich erkenne, dass nicht nur Laufen hier in Iten wichtig ist, sondern vor allem die sportliche Betätigung an sich.

Wir verlassen schließlich das Schulgelände und gehen 500 m weiter hinunter zum großen Feld, wo Feldhockey auf dem holprigen Rasen gespielt wird. Würde mich interessieren, ob bei uns in Deutschland jemand auf Rasen Hockey spielt. 

Angrenzend an das Feld ist der zentrale Markt von Iten an dem zahlreiche Stände mit den seltsamsten Dingen verkauft werden. Hauptsächlich Kleidung, wobei die Verkäufer auch mal mitten auf ihrem Stapel Kleidung ein Nickerchen machen und man sie kaum sieht. Ich bin positiv überrascht, dass wir "Mzungus" dabei gar nicht angesprochen werden, wie man es von südländischen Basaren kennt und so ungestört gehen können. Wir arbeiten uns durch die engen Gassen hindurch. Der Weg wird immer mal wieder durch Schubkarren voll Reis unterbrochen, die anscheinend irgendein Megafon versteckt haben muss, da der Reis "spricht". Wie man jetzt aber bezahlen kann und für welche Menge, erschließt sich mir bei dem herrenlosen Objekt nicht. 

Als wir durch den Markt hindurch sind, gehen wir zurück ins Guesthouse, worüber ich nach 3 h Sonne schließlich auch ganz froh bin. Auf dem Weg zurück sehe ich noch, wie ein Mann etwas schleift und ich mich nur wundere, wie bei ihm noch alle Körperteile dran sein können. Er trägt nämlich höchst professionelle Sicherheitskleidung. --> Crocs und Brille auf der Stirn. Würde der TÜV bei uns bestimmt durchgehen lassen.

Vor dem Essen dehne ich mich noch und mache etwas Athletik. Zum Abendessen gibt es Mandasi und danach versuche ich so gut es geht über das Internetradio das Spiel Bayern gegen Leverkusen anzuhören, wobei ich Mitte der zweiten Halbzeit entschließe, mich lieber ins Bett zu legen und zu schlafen.

11. Februar Tag 12

Der Sonntag steht an und ich freue mich auf das Laufen nach 3 Tagen Alternativtraining. Wir sind eine große Gruppe, sodass Hendrik einen selbst mir von Instagram bekannten Fahrer organisiert hat, der uns alle mit Getränken und Videos versorgt. Sein Name ist Kandi.

Insgesamt sind wir 10 Läufer. 6 davon laufen mit 10 min Vorsprung los, damit die Verpflegung etwas leichter zu managen ist. So gibt es eine 5er Gruppe, Esther läuft allein und Hendrik, Nic und Toni, ein kenianischer Läufer, den Hendrik und Nic gut kennen, bilden zunächst die letzte Gruppe.

Wir laufen die sogenannte Kapkoi Straße entlang, die die ersten 15 km etwas wellig ist und am Ende eigentlich nur noch bergauf geht. Ich steige erst nach 10 km ein, da bergauf für meinen Oberschenkel angenehmer als bergab ist. 

Davor filme ich und mache Fotos so gut es geht. Schließlich werde ich rausgelassen und so laufe ich etwas vor der 3er Gruppe Jungs los, bevor ich nach einem Kilometer eingeholt werde und dann das Tempo mitgehe. Wir laufen gleich mal 3:40 los und ich bin gespannt, wie das jetzt gleich bergauf so wird.

Und es geht wirklich immer bergauf. So gibt es keine ebene Passage. Nach Kilometer 17 bzw. Kilometer 27 für Nic, steige ich aus, bin zufrieden mit meinem ersten Lauf. Tempo 3:52 ist sehr gut für die Strecke meiner Meinung nach und ich möchte nichts riskieren. So stoppe ich den Lauf und warte auf das Matatu, bis es mich einsammelt.

Allerdings habe ich mir eine ungünstige Stelle ausgesucht, denn das kleine Dorf in der Umgebung hat auch einige nicht so nette Gestalten und hier muss man an dieser Stelle auch eine Schattenseite in Kenia erwähnen. So kommen schnell 2 Personen auf mich zu. Einer im Hintergrund checkt die Situation ab und der andere bedrängt mich so sehr, dass er Schulter an Schulter mit mir steht und an meine Uhr fasst und mich "fragt" ob er sie bekommt. Nachdem er mich ungefähr 1 min, die gefühlt länger gewesen ist, verfolgt, wechsle ich die Straßenseite und gehe zu Fuß in die andere Richtung. Nach 15 min kommt schließlich das Matatu und ich bin froh, heil aus dieser Situation herausgekommen zu sein. 

Wir sammeln schließlich Nic und Toni bei Kilometer 30 ein, wobei es Toni anscheinend nicht so gut geht, da dieser sich am Ende übergeben muss. Das erste Mal nach 3 Jahren, wie er sagt. "Das Wetter war zu warm", sagt er. Wir sind um 9 Uhr losgelaufen und wir Europäer fanden es alle mal etwas kühler, aber Toni ist hier im Normalfall auch schon zu seiner Verteidigung seit 2 h fertig mit dem Training. 

Am Ende sind wir bis auf 2630 m Höhe gelaufen, die Zugspitze könnt ich da schon fast berühren;-) Wir machen kurz Fotos und paar Videos mit Hendrik seiner Drohne (die wirklich richtig coole Bilder und Videos macht). Danach fahren wir schließlich den ganzen Weg wieder zusammen im Matatu zurück.

Abends gehen wir um 17:30 Uhr zum Kerio View Hotel, welches von vielen internationalen Athleten und Gästen besucht wird, zum Abendessen. Unter anderem sehe ich Renato Canova, ein weltberühmten Lauftrainer. Es hat eine wunderschöne Aussicht und wir gehen extra früh, damit wir nicht so lange auf das Essen warten müssen. Dachten wir zumindest. Wir haben aber keinen Stress und so kommt das Essen schließlich nach einer kenianischen Stunde (in Deutschland/Wahrheit 2h) an und wir können um 21 Uhr den Rückweg ins C&C Guesthouse antreten.

12. Februar Tag 13

Der heutige Tag beginnt mit einer traurigen Meldung. Kelvin Kiptum, der aktuelle Weltrekordhalter im Marathon, ist gestern Abend tödlich mit dem Auto verunglückt. Er ist nur 3 Monate älter als ich und ich kann es mir gerade nicht vorstellen. Die Tatsache, dass dies in der Nähe gewesen ist, wo wir gestern unseren Longrun beendet haben, macht das ganze noch unvorstellbarer. Eigentlich wollte ich mich mit dem Super Bowl beschäftigen, jedoch hat diese Nachricht bei mir einen Schock ausgelöst und diesen in den Hintergrund gerückt. Auf dem Weg zum Frühstück treffe ich einen kenianischen Läufer, der gerade von seinem Training kommt und ich frage ihn, ob er schon davon weiß. Er ist jedoch seit 5 Uhr unterwegs und erfährt durch mich, was passiert ist. Man sieht, dass es einen kleinen Schock in ihm auslöst und ich denke, dass dies heute in der ganzen Stadt spürbar sein wird. 

Zum Frühstück gibt es Pfannkuchen. Und das jetzt schon seit 3 Tagen – anscheinend liegt es daran, dass der Koch einen neuen Job bekommen und C&C nach 1 Monat verlassen hat.

Danach mache ich mich auf zu meinem Lauf. Ich merke jedoch schnell, dass der Oberschenkel sich nicht so gut anfühlt wie erhofft. Ich weiß, dass dies an den neuen Einlagen liegt, an die ich mich noch gewöhnen muss. Allerdings fühle ich mich nicht sicher und der Schmerzpunkt meldet sich zu oft und zu stark, sodass ich nach 7 km den Lauf beende. Schnitt irgendwas mit 5:xx. Ich möchte es gar nicht wissen. Zumindest ist der Puls niedrig, was bedeutet, dass ich eigentlich fit bin. 

Im Moment bin ich natürlich etwas deprimiert und enttäuscht, dass ich nicht Laufen kann. Ich hoffe aber, dass die muskuläre Verspannung möglichst schnell verschwindet.

Jetzt heißt es erstmal schonen und diese Woche erstmal wieder auf Alternativtraining setzen. Ich hoffe einfach, dass dies zu einer Marathonvorbereitung dazu gehört, aber ich habe gelernt, dass es keinen Sinn und Spaß macht, mit Schmerzen, die kein Muskelkater sind, zu laufen. Jedoch bin ich zuversichtlich, dass ich rechtzeitig fit werde und gesund am Start stehen kann. Bis dahin heißt es erstmal geduldig bleiben, was für mich sehr sehr schwer ist.

Am Nachmittag gehe ich zur Klippe, setze mich auf einen kleinen Felsvorsprung und lese meinen historischen Roman, um zu entspannen und abzulenken. Die Aussicht ist wie immer wunderschön. So einen Platz beim Lesen eines Buches habe ich noch nie gehabt.

Unterbrochen werde ich nur von einem kenianischen Jugendlichen, der mit mir aus welchem Grund auch immer ein Foto machen möchte.

Abends gibt es Ugali, das ungefähr so schmeckt wie das Bierfuizl bei mir in der Heimat. Oder wie ein Däne sagt, wie die Hostie in der Kirche. Dazu Kraut und etwas Fleisch. Zum Nachtisch bekommen wir aber eine sehr leckere Zimtrolle mit Schlagsahne, die alles wieder wettmacht.

Da ich also die nächsten Tage nicht viel Laufsport mache, könnt ihr mir gerne @tobiulbrich auf Instagram schreiben, wenn ihr etwas Spezielles über Iten wissen wollt (Stromversorgung, Essen, Wasserversorgung, Menschen, etc.) und ich gebe mein Bestes, um zu liefern.

13. Februar Tag 14

Aufstehen, Frühstück, die Pfannkuchenstreak hält an, jetzt schon 4 Tage! Aber es könnte definitiv schlimmer sein.
Heute begleite ich Hendrik und Esther bei ihrem Workout auf der Bahn in Eldoret.

Wir fahren um 8:45 Uhr los zum Kipchoge Track. Nicht vergessen, Keino und nicht Eliud. Ein dänischer Mitbewohner und tatsächlich viele weitere Sportler sind immer wieder enttäuscht, wenn sie das erfahren.
Wir nehmen ein öffentliches Matatu und dieses Mal wird es sogar eine entspanntere Fahrt. Ich sitze im Zwölfsitzer hinten rechts und habe die Möglichkeit etwas mehr von der Fahrt zu sehen. Neben mir steigt ein Junge mit 50 Hühnereiern auf dem Schoß ein und versucht sie heil nach hinten zu bringen. Je näher man an Eldoret kommt, desto mehr Verkehr kommt auf und desto hektischer wird es. Eselduos, die einen Wagen mit je einem stehenden Mann ziehen, bringen den Verkehr immer wieder zum Stocken. Interessant finde ich auch, dass die Esel, Kühe und Ziegen sich teilweise komplett frei in der Stadt bewegen. Wie sie wieder zurück zu ihrem Besitzer finden oder wie das System funktioniert, erschließt sich mir noch nicht. Streunende Hunde kennen sich auf jeden Fall so gut mit dem Verkehr aus, dass sie rechts links schauen, bevor sie die Straße überqueren. Besser als ich anscheinend, der immer noch in die falsche Richtung schaut.

Im Kipchoge Stadion angekommen, weist mich Hendrik in die Funktionsweise der Drohne ein. Nach kurzer Zeit beherrsche ich die Drohne einigermaßen, sodass ich von Hendrik und Esther ein paar coole Drohnenvideos machen kann, die ihr auf der Instagram Seite von Hendrik ansehen könnt.

Nach dem Workout fahren wir mit einem Picki-Picki zur 5 Minuten entfernten Mall, gehen zum Essen und decken uns im Supermarkt mit ein paar Dingen ein. Anschließend geht es mit dem Picki-Picki zur Matatu Station mitten durch die Stadt und sehe dabei zum ersten Mal das Innere der Stadt mit seinen nicht funktionierenden Ampeln.
Wir sind zu viert auf dem Picki-Picki (inklusive Fahrer), was mit dem Einkauf und den Rucksäcken ein kleiner logistischer Balanceakt ist. Als wir bei den Matatus ankommen, passiert etwas was sonst glaub ich nur Popstars erleben. Ein halbes Dutzend Matatu Fahrer mit ihren Hustlern, wie ich die Geldeintreiber nenne, stürmen auf uns zu, helfen uns vom Picki-Picki und wollen uns Muzungus ihr Matatu anpreisen. Wir werden schließlich vom Boss der Matatu Station, zumindest verhält er sich so, in ein Matatu verfrachtet und bezahlen ihm auch das Geld. Bevor wir zurückfahren, warten wir gute 10 Minuten, bis das Matatu voll ist. Nach einer knappen Stunde kommen wir an und ich entspanne den Rest des Tages auf der Veranda.

Am Abend gehen wir zum Joogo, dem Bogen mit dem Schriftbanner "Home of Champions", und besuchen eine kleine Gedenkstätte, die für Kelvin Kiptum eingerichtet worden ist.